Plattdeutsch - Sprache
oder Dialekt?
hochdeutsch - plattdeutsch -
english
Lange ging der Streit, ob Plattdeutsch nun eine eigene Sprache oder
einfach ein Dialekt ist. Beeinflußt wurde dies sicherlich dadurch,
daß es zwar plattdeutsche Literatur gibt, aber (trotz mehrerer
Vorschläge) keine einheitliche Rechtschreibung. Und nach dem
Niedergang des Plattdeutschen als lingua franca der Hanse war Plattdeutsch
vor allem Sprache des Volkes. Damit hatte es die Funktion, die anderenorts
lokale oberdeutsche Dialekte hatten . Die feine Gesellschaft und die
Obrigkeit mühten sich um Hochdeutsch. Und wenn das gemeine Volk dies
versuchte, so wurde daraus Missingsch, eine Sprachform mit hochdeutschen Wörtern
und plattdeutscher Grammatik. Für hochdeutsche Ohren klang das fürchterlich
falsch, und Plattdeutsch hatte den Ruf, zu schlechtem Hochdeutsch zu führen.
Plattdeutsch wurde als - für mittel- und oberdeutsche Ohren nahezu
unverständlicher - Dialekt betrachtet. Eltern bemühten sich,
plattdeutsch zu vermeiden, damit ihre Kinder es mit der hochdeutschen
Sprache nicht so schwer hätten.
Gegenläufige Entwicklungen
Insbesondere im 20. Jahrhundert kam es zu zwei gegenläufigen
Entwicklungen:
- Einerseits wurde Hochdeutsch immer dominanter, vor allem in den Städten.
Ursachen lagen in der hochdeutschen Unterrichtssprache, in der
Verwendung von Hochdeutsch in den Massenmedien und in der Veränderung
der Bevölkerungsstruktur, vor allem nach dem zweiten Weltkrieg. In
den fünfziger Jahren waren es vor allem Flüchtlinge aus nicht
plattdeutschen Sprachgebieten, später führte die gewachsene
Mobilität zu einem erheblichen Anwachsen des Bevölkerungsteils,
der Plattdeutsch nicht beherrschte. Hochdeutsch wurde, insbesondere in
den Städten zur normalen Umgangssprache.
- Andererseits wurde Plattdeutsch zunehmend als Teil norddeutscher
Identität begriffen. Teils unter dem Gesichtspunkt Heimat im Rahmen
der Jugendbewegung, aber auch durch die Nationalsozialisten,
insbesondere ab den 70er Jahren (Liedermacher im Umfeld der
68er-Bewegung) auch als Teil der Identität der Arbeiter und Bauern
in Abgrenzung zum "Establishment" wurde plattdeutsches Lied-
und Schriftgut wiederentdeckt und auch unter den unterschiedlichsten
politischen Gesichtspunkten instrumentalisiert. Gleichzeitig ergab sich
auch ein eher politikübergreifendes stärkeres Bewußtsein.
Plattdeutsch wurde von den Menschen als Stück Heimat und als
Menschlichkeit in der zunehmend technisierten Welt empfunden und bewußt
auch als Zweitsprache genutzt und gepflegt.
Mit der Aufnahme in die
Europäische
Charta der Regional- und Minderheitensprachen ist die Sprache
Plattdeutsch seit Ende des 20. Jahrhunderts auch offiziell und
international als Sprache anerkannt.
Was macht nun die Sprache Plattdeutsch aus?
- Plattdeutsch hat die
zweite
germanische Lautverschiebung nicht mitgemacht. Damit ist
Plattdeutsch gemeinsam mit Friesisch, Dänisch, Schwedisch,
Norwegisch, Isländisch und Faröerisch sowie weitgehend auch
Englisch und Niederländisch von den mittel- und oberdeutschen
Sprachgruppen abgegrenzt.
- Der Plattdeutsche Wortschatz weist einen erheblichen Anteil Wörter
aus, die es im Hochdeutschen und den mittel- und oberdeutschen Dialekten
nicht gibt, wohl aber z.B. im Anglo-Saxon, im Englischen und in den
skandinavischen Sprachen. Insgesamt dürfte mehr als 20 Prozent des
plattdeutschen Wortschatzes keine direkte Entsprechung im heutigen
Hochdeutsch haben, teils als sehr alte Wörter, gemeinsam mit
anderen Niedergermanischen Sprachen (z.B. Steert), teils
als Sonderbildungen wie nickkoppen, rallögen oder
schirrwarken.
- Auch bei verwandten Worten sind die Ähnlichkeiten zum Angelsächsischen
und zum heutigen Englisch (vgl. Die Nordsee-Wörterliste
Platt-English-Deutsch-Anglo-Saxon) nicht selten größer
als zum Hochdeutschen
- Die Grammatik zeigt deutliche Unterschiede zum Hochdeutschen:
- Es gibt - wie im Englischen - nur 3 Kasus. Dativ und Akkusativ
sind nicht getrennt, sondern zu einem Objektfall (object case)
vereint.
- Es gibt - wie im Holländischen - nur 2 Artikelgenera: de
(m,f) und dat (n)
- Die nördlichen Dialekte bilden das Partizip stets ohne ge-,
genau wie die skandinavischen Sprachen und Englisch. Im Westen und Süden
dagegen wird das Partizip mit ge- gebildet, wie im
Deutschen und Holländischen.
- In Fragesätzen wird das Verb oft mit "doon"
umschrieben, so wie im Englischen mit "to do"
- Sprachwissenschaftlich umstritten, aber phänologisch
festzustellen sind "Ingväonismen", Merkmale, die sich an
den Sprachen der Nordseeküste (Plattdeutsch, Friesisch, Englisch,
Niederländisch) finden, z.B. :
- das Hilfswerb sallen/schallen (platt) - shall (engl.) - zullen
(ned.) gegenüber "werden" hochdeutsch für die
Zukunft in der Konjugation (Futur).
- Ersatzdehnung anstelle von Nasal, z.B. fief (platt) = five(engl.)
= fiif(fries.) = vijf(holl.) an Stelle von hochdeutsch "fünf"
- he(platt)=he(engl.)=he(fries.)=hij(holl.) als Personalpronomen 3.
Person Singular maskulinum gegenüber hochdeutsch "er"
- is(platt)=is(engl.)=is(fries.)=is(holl.) ahn "t" oder "sch"
as in´t Hochdüüsche "ist" oder Allemannsche
("isch").
- Weitgehend ähnlich sind Plattdeutsch und Hochdeutsch im Satzbau,
z.B. ist die Stellung Subjekt-Objekt-Prädikat (insbes. in Nebensätzen)
möglich statt Subjekt-Prädikat-Objekt.
Andererseits sind im Westen und Süden des Sprachgebietes Übergänge
zu den mitteldeutschen Dialekten und Sprachen in Wortschatz und Grammatik
deutlich erkennbar, in geringerem Umfang gilt dies im Norden und Nordosten
auch für Übergänge zum Dänischen und Schwedischen
(z.B. ik harr hatt = jeg har had (dansk) gegenüber I had
had (engl) oder ich hatte gehabt (deutsch).
Immerhin sind die plattdeutschen Dialekte auch entfernter
Dialektfamilien einander doch so ähnlich, daß sich ein
Mecklenburger, ein Holsteiner, ein Ostfriese und ein Groninger problemlos
auf Platt verständigen können, wenn sie ihren jeweiligen
Heimatdialekt sprechen. Hingegen ist eine spontane Verständigung auf
reiner Dialektebene zwischen einem Holsteiner und einem Schweizer,
Schwaben, Tiroler oder Baiern nahezu ausgeschlossen.
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